Dienstag, 13. Mai 2008

Re 1984/85: NOTIZEN AUS DER PROVINZ

Nach dem Abstieg aus der 2. Liga musste man sich bei RWE an eine ganze Anzahl neuer Namen gewöhnen, Neven Rudic, Michael Pröpper, Uwe Neuhaus, Uwe Kober, Jürgen Suchanek hießen die neuen Träger des roten Trikots, der neue Trainer Dieter Tartemann hatte mit Norbert Nigbur einen Ex-Schalker als neuen Torwart verpflichten können, dessen Flugeinlagen wohlbekannt waren.
Norbert Nigbur, sein Aussehen und sein Name hätten aus ihm auch einen typischen 70er Jahre Schlagerbarden gemacht. Ein schlechter Torwart war er aber keineswegs, auch bei RWE brachte er, kritisch beäugt vom Publikum, gute Leistungen ( vor allem beim 4:1 gegen Wuppertal ) bevor er sich leider kurz vor Beginn der Aufstiegsrunde verletzte.

Viel Platz war beim ersten Heimspiel der Saison im Georg –Melches-Stadion, weniger als 3000 sahen ein 3:1 gegen die Reserve von Bayer Leverkusen eingeleitet durch ein Weitschusstor von Oliver Koch. Doch die Mannschaft bot in der Folgezeit guten Fußball und die Fans kamen zurück.

Unvergessen die angesprochene Partie gegen Wuppertal, die an einem Freitagabend mit 4:1 gewonnen wurde, ich musste damals einen Gehgips tragen ( Außenbandanriss, zugezogen beim Training bei einem Pressball mit dem wohl leichtgewichtigsten Mitspieler überhaupt) und aufgrund des starken Regens löste sich der Gips so langsam auf .
Ich zog eine weiße Spur hinter mir her und musste kurze Zeit später wieder im KH erscheinen , um mir einen neuen Gehgips anlegen zu lassen. Aber: Das war es wert.

Mit der Winterpause kam dann ein wenig Stottern in den RWE-Aufstiegsmotor, ein Niederrheinpokalspiel beim VFB Speldorf wurde nur äußerst glücklich und dank einer starken Leistung von Ersatzkeeper Jan Szepanski im Elfmeterschießen gewonnen und nach einer 1:4 Klatsche bei Bayer Leverkusen II drohte Lokalrivale ETB an der Tabellenspitze zu enteilen.

Doch RWE setzte zu einer bis heute ununterbrochenen Siegesserie an, bis zum Saisonende wurden 15 Ligaspiele in Folge gewonnen ( ich glaube, immer noch Rekord in der OL Nordrhein ) und wer erinnert sich nicht gerne an den Ostermontag 1985, als vor 30.000 Zuschauern ( damaliger deutscher Drittligarekord) der ETB nach 0:1-Rückstand mit 3:1 geschlagen wurde. Die Sportreportage des ZDF berichtete in ihrer Sendung nachmittags ausführlich über das Spiel, RWE war auf einmal wieder en vogue.

Mit Sieg Nummer 15 war die Aufstiegsrunde zur 2. BL erreicht und RWE ,klarer Favorit, musste zum Start gegen den VFL Osnabrück antreten, Leider ohne mich, denn ich weilte zur Abschlussfahrt der B-Jugend meines Vereins in Koudekerke. „40.000 Karten hätte man verkaufen können“ , las man im Vorfeld, es kamen dann aber doch nur 18.000 und die sahen ein 0:1 ( durch ein Eigentor) , wie ich im Samstags Nachmittags im Radio hören musste.
Mit dem unerfahrenen Andreas Schmidt im Tor ( wo war eigentlich Jan Szepanski ?) gab es danach eine 0:4-Abfuhr bei Eintracht Hamm und der Aufstiegstraum drohte früh zu platzen.

Doch schon früher neigte RWE zu überraschenden Transfers und diesmal wechselte ein Mann kurzfristig zur Hafenstraße, der in der durchaus langen Liste an skurrilen Spielern ganz vorne mit dabei ist: Slobodan Nestorovic, jugoslawischer Torwart von Partizan Weißnichwo.
Nostorovic boxte im Heimspiel gegen TeBe Berlin den ersten Ball aus dem Winkel, verpasste dann aber den folgenden Eckball, bekam in seinen fünf Spielen (teilweise dem Hörensagen nach, waren schließlich drei Auswärtsspiele dabei) kaum Bälle aufs Tor und turnte bei wirklich jeder sich bietenden Gelegenheit an der Torlatte rum.

Ein Torwart, prädestiniert dafür, Publikumsliebling zu werden.

Wenn, ja wenn er denn auch mal mehr als einen Ball gehalten hätte.

Im Heimspiel gegen Eintracht Hamm hatte RWE gefühlte 30:3 Torschüsse zu verzeichnen, nach zweimaligem Rückstand langte es aber nur zu einem 2:2. Eine Woche später war nach einem 0:3 bei Tennis Borussia Berlin alles vorbei, dass letzte Spiel gegen den Hummelsbütteler SV ( 7:1) sahen nur noch etwas über 1000 Zuschauer, ich nicht, denn ich musste zum Training.

96 Tore in der Liga, 33:1 Punkte zuhause – und trotzdem kein Aufstieg.

Wenn man überlegt, wer damals noch zumindest theoretisch nur einen Schritt von der 2. Bundesliga entfernt war: 1,FC Viersen, Viktoria Goch, VFL Rhede, FV Bad Honnef, Siegburger SV. Tiefste Provinz.

Sogar RW Essen ( ach, diese ekelhafte ewige Selbstironie) !

Keiner der aufgeführten Clubs ( außer RWE natürlich) wird in absehbarer Zeit wieder drittklassig spielen, da lege ich mich mal mutig fest.

Seltsamerweise kann ich mich kaum noch an weitere Heimspiele erinnern ( Auswärtsspiele gucken waren damals noch völlig unrealistisch) außer an die Spiele gegen Lev II, ETB, Wuppertal, TEBE und Eintracht Hamm, war aber sicherlich öfter als diese 5 Mal im Stadion.

Auswärtsspiele liefen eigentlich immer so ab: Bis Sonntags ca. 19.10 Besuch bei Oma - dann ab nach Hause - in Heißen Kirche Pommes geholt - 1945 Sport im Westen geguckt, ohne das Ergebnis schon zu kennen, Teletext hatten wir damals noch nicht.
Unerträgliche Nervenanspannung.
Unerträglicher Frust nach der 0:1- Niederlage bei Viktoria Köln, Jubelstimmung nach einem 5:0 beim 1.FC Bocholt. Insgesamt aber bin ich doch froh, dass es heutzutage LiveTicker, Live Scores ,Radio Essen usw. gibt.

Und natürlich den Teletext.

/M/

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